An dieser Pflanze geht man gerne mal vorbei, dabei ist sie doch etwas Besonderes: Die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine) ist nämlich eine
heimische Orchidee (Familie Orchidaceae).
Auf den ersten Blick ist sie tatsächlich recht unscheinbar und sie scheint auch eine Meisterin der Unsichtbarkeit zu sein, denn besonders im Halbschatten fällt sie
im grünen Gewirr kaum auf und man muss schon gut hingucken, um sie zu entdecken. Das gilt allerdings nicht für ihre sechsbeinigen, geflügelten Blütenbesucher, denn für sie hat die Stendelwurz,
ähnlich wie andere Orchideenarten, extra ihre Blütenform angepasst: Ihr unteres Blütenblatt, das Labellum, hat eine lippenähnliche Form. In dieser "Mulde", die ich als Landeplattform anbietet,
finden die verschiedenen Insektenarten (Wespen, Bienen, Fliegen) ihren Nektar und laden sich, wenn sie in die Blüte abtauchen, "nebenbei" ganze Pollenpakete auf, die für Orchideen typischen,
sogenannten Pollinien.
Die Breitblättrige Stendelwurz wird bis 80 cm hoch und hat einen langen Blütenstand mit bis zu 50 grünlich-weißen bis purpurn überlaufenen Einzelblüten.
Die Blüten bestehen aus drei inneren Kronblättern (mit dem oben bereits erwähnten Labellum) und drei äußeren Kelchblättern. Die Pflanze blüht von Juli
bis August. Ihre Blätter sind je nach Standort eiförmig bis länglich und weisen die für einkeimblättrige Pflanzen (also Pflanzen mit nur einem Keimblatt) typische Parallelnervatur auf. Das
bedeutet, dass die Blattnerven nicht netzartig über das Blatt verlaufen (wie bei den Zweikeimblättrigen), sondern parallel zueinander und zum Blattrand.
Sie wächst gerne im Halbschatten und ist daher oft in Wälden zu finden. Und - auch das ist eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Orchideenarten - sie kommt auch
mit nährstoffreicheren Böden gut zurecht. Viele Orchideenarten brauchen zudem kalkhaltigen Boden, der Stendelwurz reichen bereits schwach basische Böden, daher kommt sie auch im Norden häufiger
vor.
Außerdem hat sie sich eine Spezialnische ausgesucht: Viele Forstwege sind mit Kalkschotter befestigt, und die bieten offenbar alles, was man so braucht. Daher findet
sich die Stendelwurz oft auf schattigen Waldwegen. Auch hier bei uns im nicht gerade artenreichen Park hinterm Haus hat sie sich angesiedelt. Seit acht Jahren beobachte ich dort eine langsam
wachsende Stendelwurz-Population, die sich dort anscheinend ganz wohl fühlt. Diese Anpassungsfähigkeit ist ebenfalls eine ihrer markanten Eigenschaften und ein Grund für ihre relative
Häufigkeit.
Die Breitblättrige Stendelwurz ist wie alle heimischen Orchideenarten streng geschützt und darf nicht gepflückt oder ausgebuddelt werden. Ein Zuwiderhandeln zieht
empfindliche Strafen nach sich. Wer eine entdeckt, darf sich freuen, dass es so etwas Schönes auch in seiner Nähe gibt. Für den Garten taugt sie nicht, denn Orchideen können nicht einfach so
ausgesät werden. Ihre winzigen Samen brauchen einen speziellen Pilz, der im Boden vorhanden sein muss, damit sie keimen können. Auch die Standortansprüche einer Orchidee können von einem normalen
Gartenboden in der Regel nicht erfüllt werden. Du siehst: Für eine Orchidee ist die Stendelwurz zwar recht unkompliziert, aber im Vergleich zu anderen Pflanzenarten hat sie hohe Ansprüche. Das
ist ein Grund, warum Orchideen eher selten und daher geschützt sind. Von daher gilt: Gerne anschauen und freuen, und ansonsten Finger weg :-)