Kleiner Wicht im Walde: Der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum) fällt durch seine eher ungewöhnliche Erscheinung auf. Denn statt gewöhnlicher Blütenstände
hat er eine grüne "Tüte", in der ein brauner "Stift" steckt - einfach ausgedrückt. Die grüne Tüte sieht für mich gefühlt aus wie die zu grün geratene Zipfelmütze eines Gartenzwergs und wird in
der Botanik als Hochblatt (Spatha) bezeichnet. Hochblätter findet man zum Beispiel auch beim Einblatt (Gattung Spathiphyllum), einer Zimmerpflanze. Auch die roten oder sonstwie
gefärbten Blätter beim Weihnachtsstern sind Hochblätter. Ihre Aufgabe ist unter anderem das Anlocken von Insekten. Der braune
Stiff wird als Kolben oder Spadix bezeichnet. Er trägt die Blüten.
Beim Aronstab ist das Hochblatt zunächst geschlossen und aufgerollt wie eine spitze Zigarre. Wenn es schließlich im oberen Bereich
aufgeht, ist auch nur der obere braune Teil des Kolbens sichtbar, der sterile männliche Blüten trägt. Die männlichen und weiblichen Blüten stehen am unteren Bereich des Kolbens - gut verpackt und
unsichtbar durch den geschlossenen unteren Teil des Hochblatts. Der untere Teil des Kolbens ist vom oberen Teil durch die sogenannten
Reusenhaare - ebenfalls nicht sichtbar - getrennt.
Dieser komplizierte Aufbau hat natürlich eine Funktion: Die Pflanze gibt abends einen urinartigen Duft ab, der insbesondere
verschiedene Mückenarten anlockt. Damit sich der Duft auch gut verbreitet, wird an der Basis des Kolbens kräftig geheizt, so dass es innen deutlich wärmer ist als außen. Solchermaßen angelockt,
fliegen die Insekten ins Innere des Hochblatts und schmieren an den glatten, mit Öldrüsen besetzten Innenwänden regelrecht ab.
Im unteren, geschlossenen Teil des Hochblatts angekommen, ist auch dem letzten Insekt klar geworden, dass das eine Falle war (genau,
eine sogenannte Kesselfalle). Im Bestreben, wieder nach oben zu kommen, krabbeln die Tierchen am Kolben hoch. Die Reusenhaare sorgen aber dafür, dass die Insekten
nicht einfach wieder verschwinden können, sondern erst noch etwas am Kolben herumkraxeln. Dabei bleibt der von ihnen mitgebrachte Pollen (vom Besuch an einem anderen
Aronstab) an kleinen Tröpfchen hängen, die die unten am Kolben sitzenden weiblichen Blüten absondern. Anschließend werden
die Tiere gründlich vom Pollen der weiter oben liegenden männlichen Blüten eingenebelt. Erst dann lässt die Pflanze die pollenbeladenen und vermutlich leicht traumatisierten Tierchen wieder frei,
nur damit sie auf den nächsten Aronstab hereinfallen und das Ganze von vorne beginnt. Und das alles ohne irgendeinen
Nutzen für die kleinen Helfer. Trau keinem grünen Gartenzwerg, der im Wald steht!
Das Ergebnis dieser Mühen kann man im Spätsommer sehen. Dann stehen mitten im Wald kleine Stiele, die Reste des Kolbens, mit leuchtend
orangeroten, kugeligen Früchten überall im Wald - die Fruchtstände des Aronstabes. Denn da er ein Frühjahrsgeophyt ist - d. h. er zieht schon im Sommer seine Blätter ein - sieht man im September
nur noch die Früchte und sonst nichts. Diese Früchte sind stark giftig, wie auch der Rest der Pflanze. Daher wird er auch nicht (mehr) als Heilpflanze verwendet. Nur die Homöopathie nutzt ihn
noch bei Atemwegserkrankungen. Astrologisch gehört er übrigens zum Mars.
Der kleine Giftzwerg wird von den grundständigen Blättern bis zur Zipfelmützenspitze gerade mal etwa 30 Zentimeter hoch. Er blüht im
April und Mai und wächst bevorzugt in Buchenmischwäldern oder unter Hecken mit feuchtem, kalk- oder zumindest basenhaltigem, nährstoffreichem Boden. Seine großen, pfeilartig geformten Blätter
haben manchmal (aber nicht immer) schwarze Flecken. Der Aronstab gehört zur Familie der Aronstabgewächse (Araceae). Bekannte Vertreter sind zum Beispiel die Flamingoblume
(Anthurium), die Efeutute (Epipremnum), das schon erwähnte Einblatt (Spathiphyllum), die Dieffenbachie (Dieffenbachia), die Zamioculcas (Zamioculcas
zamiifolia) und als heimische Vertreter die Wasserlinsen (Lemna spec.), auch bekannt als Entenflott - also das, was den Teich im Sommer mit einer grünen Schicht
bedeckt.
Der Aronstab ist als Blattschmuck mittlerweile eine beliebte Zierpflanze für halbschattige und schattige Plätze im Garten. Er ist jetzt nicht so die Bienenpflanze und
den hereingelegten Mücken nützt er vermutlich auch nicht, aber Scherz beiseite, er ist trotzdem eine wertvolle, hübsche heimische Pflanze. Denn zumindest die Vögel freuen sich über die Früchte.
Und das ist doch auch was wert :-)
Grüne Gartenzwerge im Wald
geschlossene Gesellschaft