Heute geht es mal um eine Pflanze, die jetzt gerade nicht zu sehen ist: Den Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense). Obwohl er erst im Frühjahr wieder
auftaucht, steht er für mich wie keine andere Pflanze für den Winter. Zudem ist er ein Gewächs, das sich in vielerlei HInsicht von anderen Pflanzenarten unterscheidet.
Der Acker-Schachtelhalm wächst vorzugsweise auf lehmigen, feuchten Böden in Sonne oder Halbschatten. Seine bekannteste Erscheinungsform sind kleine "Tannenbäumchen",
also grüne Triebe mit kleinen Seitenästen, die quirlig angordnet sind. Er wird oft mit dem Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre) verwechselt, da beide am gleichen Standort vorkommen
können. Es gibt noch weitere Schachtelhalmarten bei uns, wie etwa den Wald-Schachtelhalm (Equisetum sylvaticum), den Wiesen-Schachtelhalm (Equisetum pratense), den
Teich-Schachtelhalm (Equisetum fluviatile) oder den Riesen-Schachtelhalm (Equisetum telmateia), die aber alle giftig sind. Und: Sie gehören alle zur Familie der
Schachtelhalmgewächse (Equisetaceae). Schau an :-)
Ein bißchen Botanik
Der Acker-Schachtelhalm ist keine Blütenpflanze. Er gehört zwar zu den Gefäßpflanzen, bildet also Leitungsbahnen für Wasser und Assimilate, aber nicht das, was bei
den modernen Blütenpflanzen als "Blüte" bezeichnet wird. Im Folgenden wird es daher etwas botanischer: Beim Acker-Schachtelhalm findet man noch eine etwas altertümliche Form der Fortpflanzung,
die auf einer separaten Pflanze stattfindet. Entlässt der fertile Schachtelhalmtrieb (Sporophyt) seine Sporenpakete, bilden sie zunächst kleine Pflänzchen, Vorkeime oder Mikrogametophyten
(männlich) und Makrogametophyten (weiblich) genannt. Diese sind haploid, besitzen also nur einen Chromosomensatz. Auf diesen Pflänzchen bilden sich die Fortpflanzungsorgane (Gametangien) aus.
Eine erfolgreiche Befruchtung hängt daher auch davon ab, wie dicht die beiden zusammen keimen. Und: Die Befruchtung benötigt Wasser als Transportmedium für die Spermatozoiden, wobei die
Schachtelhalme schon weniger auf Wasser angewiesen sind als beispielsweise die Moose oder die Farne.
Aus dem befruchteten Makrogametophyten wachsen neue, bräunliche Sporophyten, die im März und April erscheinen und wiederum Sporenpakete aus ihren Strobili (Zapfen)
genannten Sporophyllständen entlassen. Diesen ganzen Vorgang mitsamt dem dazugehörigen Gedöns findet man bei den Blütenpflanzen im Übrigen auf das Wesentliche reduziert und unabhängig vom Wasser
kompakt in der Blüte, bzw. den Blüten (falls die Pflanze zweihäusig ist). Eine Beschäftigung mit den "alten" Schachtelhalmen - sie stammen aus dem Karbon, vor etwa 300 Millionen Jahren - und den
neumodischen Blütenpflanzen (entstanden in der Kreidezeit vor etwa 70 Millionen Jahren) ist daher ein kleiner Blick in die Evolution der Pflanzen. Eine
ähnliche Abhängigkeit von Wasser sehen wir übrigens auch bei den Tieren, wo die evolutionsgeschichtlich "alten" Amphibien noch wesentlich mehr auf das Wasser zur Fortpflanzung und Entwicklung der
Nachkommen angewiesen sind als beispielsweise Säugetiere. Wieder ein Beweis, dass wir Tiere doch enger mit den Pflanzen verwandt sind als man sich das so bewusst macht.
Die grünen Tannenbäumchen, von denen eingangs die Rede war, sind übrigens die sogenannten Sommerwedel des Acker-Schachtelhalms. Sie tauchen erst ab Mai auf
und dienen der Ernährung der Pflanze, ihre grüne Farbe kommt vom Chlorophyll. Sei sind zudem steril, während die braunen
Triebe mit ihren Zapfen fertil (fruchtbar) sind und kein Chlorophyll besitzen. Sommerwedel und fertile Triebe gehören dabei zur selben Pflanze und entspringen einem
gemeinsamen unterirdischen Rhizom (Sprossachse). Die Sommerwedel verschwinden im Herbst wieder, die fertilen Triebe trocknen ein, nachdem sie ihre Sporenpakete losgeworden sind, und verschwinden
schon, bevor die grünen Triebe auftauchen.
Medizinischer Dinosaurier und Haushaltshilfe
Wem jetzt etwas der Kopf schwirrt, dem sei gesagt: Das ist normal (freut euch auf Farne und Moose, da gehts dann richtig los :-) Aber neben komplizierter Botanik hat
der Acker-Schachtelhalm natürlich auch noch mehr zu bieten. Er ist eine alte Heilpflanze, was vor allem auf den beachtlichen Gehalt an Kieselsäure zurückzuführen ist. Daher hat er auch den
Beinamen Zinnkraut erhalten, weil man mit den derben Sommertrieben früher das Zinngeschirr gescheuert haben soll. Wenn man an die Kieselsäure gelangen möchte,
muss so ein Trieb übrigens mindestens 15 Minuten gekocht werden.
Eine seiner Hauptanwendungen sind Blasenprobleme, wobei aber hier wohl eher die enthaltene Kaffesäure und Flavonoide wirken. Aber auch äußerlich wird der
Acker-Schachtelhalm angewendet, nämlich bei Ekzemen und anderen Hautkrankheiten, dazu bei Blutungen und schlecht heilenden Wunden. Seine Kieselsäure gilt als "Schönmacher", da sie gut ist für
Haut, Haare und Fingernägel. Zudem stärkt sie das Bindegewbe. Sie kann aber auch ziemlich auf den Magen schlagen.
Giftig oder nicht?
Verwendet werden ausschließlich die grünen Triebe. Selber sammeln sollte man ihn besser nicht, denn er kann, wie oben schon
erwähnt, sehr (!) leicht mit dem giftigen Sumpf-Schachtelhalm verwechelt werden. Dieser enthält das Alkaloid Palustrin und eine größere Menge des Enzyms Thiaminase, das für einen Abbau des
Vitamins B1 im Körper verantwortlich ist. Der Acker-Schachtelhalm scheint davon kaum etwas zu besitzen und wird daher als unbedenklich eingestuft. Nur für Menschen mit Ödemen aufgrund von Herz-
oder Nierenproblemen ist er nicht geeignet. Aber auch bei gesunden Menschen gilt: Man sollte ihn ohne ärztlichen oder Apothekerrat nicht dauerhaft einnehmen.
Er wird auch gerne an Pferde verfüttert (alter Spruch: "Der Kühe Tod, der Pferde Brot") und gilt auch hier als weitgehend unbedenklich. Allerdings gibt es widersprüchliche Aussagen zur Giftigkeit von Acker-Schachtelhalm bei Pferden. Es gibt anscheinend Studien, die auch bei
Acker-Schachtelhalm nach längerer Fütterung einer gewissen Menge im Heu eine Giftigkeit nachweisen konnten. Anders der Sumpf-Schachtelhalm: Er gilt prinzipiell als stark giftig für Pferd und
Mensch. Hier kann eine dauerhafte Fütterung größerer Mengen zu einer Unterversorgung mit Vitamin B1 führen und möglicherweise die sogenannte Taumelkrankheit
bewirken. Eine weitere Theorie ist die eines Pilzes (Ustilago equiseti), der für bestimmte Giftstoffe verantwortlich sein soll und der verschiedene
Schachtelhamarten befällt. So richtig was habe ich dazu bisher nicht in Erfahrung bringen können, aber ein möglicher Pilzbefall würde die unterschiedlichen Giftwirkungen vielleicht auch
erklären.
Mythologie
Der Acker-Schachtelhalm gehört astrologisch gesehen zum Saturn, allein schon wegen seiner ziemlich dürren Triebe und seines ehrwürdigen Alters (Saturn = Kronos: Herr
der Zeit). Daher auch meine Assoziation mit dem Winter (die tiefste Winterzeit liegt im Sternzeichen Steinbock, Herrscher des Steinbocks: Saturn). Saturn regiert die Knochen und gilt allgemein
als stabilisierend und verfestigend und wird in Zeichnungen gerne als klapperdürrer Mann dargestellt. Wenn man dann den Schachtelhalm so anschaut - passt doch :-)