Das Drüsige Springkraut, gerne auch als "Wupperorchidee" bezeichnet, kann ausgesprochen lästig werden. Immerhin duftet es nett.
Heute mal was zum Thema invasive Neophyten, weil das Thema wie jedes Jahr pünktlich zum Frühherbst wieder durchstartet. Fangen wir vorne an ;-)
Der Begriff Neophyt
Ein Neophyt ist ein pflanzlicher Neuankömmling, ein Neozoon ein tierischer. Nach der Terminologie der IUCN (Union of Conversation of Nature and Natural Ressources,
Internationale Union zur Bewahrung der Natur) unterscheidet man "Neophyten" und "invasive Neophyten". Neophten hat es immer schon gegeben und wird es immer geben, was von den
Neophyten-Befürwortern ja auch gerne als Argument angeführt wird und was natürlich auch stimmt. Viele dieser Neophyten gelten als eingebürgert, das heißt, sie haben ihren Platz im Ökosystem
gefunden. Alles im Lack also. Diese Arten sind aber nicht das Problem. Es geht um die invasiven Neophyten. Das sind einige wenige Pflanzenarten, die andere Arten massiv verdrängen können. Sie
gelten damit als problematisch. Ich werde hier übrigens diese Pflanzen weiterhin als invasive Neophyten bezeichnen,
einfach weil es der wissenschaftlich akzeptierte Begriff dafür ist. Und ich werde die Dinge im Text auch möglichst kurz und einfach halten, sonst wirds ein Buch ;-)
Welche Pflanzenarten gehören zu den invasiven Neophyten?
Als invasiv (Schwarze Liste des Bundesamtes für Naturschutz) gelten laut BfN zum Beispiel der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), der Japanische
Staudenknöterich (Fallopia japonica), die Kanadische Wasserpest (Elodea canadensis), die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) oder auch die Späte
Traubenkirsche (Prunus serotina). Als potentiell invasiv ("Graue Liste") gilt zum Beispiel das Drüsige Springkraut (Impatiens
glandulifera). "Beobachtet" werden unter anderem der Schmetterlingsflieder (Buddleia davidii) und
die kleine Schwester des Drüsigen Springkrauts, das Kleinblütige Springkraut (Impatiens parviflora). Das Jakobskreuzkraut (Senecio
jacobaea) ist übrigens kein Neophyt, sondern alteingesessen. Das oftmals entlang der Autobahnen wachsende Schmalblättrige Greiskraut
(Senecio inaequidens) ist hingegen "neu" und wird auch beobachtet.
Das Thema Insekten
Es stimmt natürlich, dass viele invasive Neophyten schöne Blütenstände haben, dass sie sogar Heilpflanzen sind und dass sie gerade im Spätsommer den Insekten Nahrung
bieten. Leider ist das mit "den Insekten" nicht ganz so einfach. Es stimmt, dass gerade auf Goldruten oftmals viele Insekten beobachtet werden. Das heißt aber nicht gleichbedeutend, dass sie
damit für viele Arten gut sind. Oftmals sind es viele Individuen von einigen wenigen Arten. Und: Die Neuen werden meist von sogenannten Generalisten (oder
polylektischen Arten) besucht, also Insektenarten, die wenig spezialisiert sind und auf vielen verschiedenen Pflanzenarten Nahrung finden können. Sie sind von der allgemeinen
Nahrungsknappheit zwar auch betroffen, aber nicht so stark wie die Spezialisten, zu denen viele Wildbienen- und Schmetterlingsarten gehören und denen ein Großteil der Schutzbemühungen
gilt. Sie finden nur auf einigen wenigen Pflanzenarten Futter (sogenannte Oligolektie), weil sie sich eng zusammen mit ihren Futterpflanzen
entwickelt haben. Daher nützen die invasiven Neophyten vielen Arten nichts, verdrängen aber möglicherweise deren
Futterpflanzen. Dazu kommt, dass das Nektarangebot mancher Invasiven anscheinend qualitativ weniger gut ist (weniger Nährstoffe) als das einheimscher Pflanzenarten. Invasive Neophyten sind also
für "die Insekten" nicht zwingend notwendig, wie gerne mal behauptet wird, sondern zwingend notwendig sind vor allem Pflanzenarten, von denen Spezialisten abhängen (wenn man denn etwas für diese
Insekten tun möchte). Und das sind in der Regel heimsche Arten. Imker hingegen finden invasive Neophyten oftmals gar nicht so übel, weil sie anscheinend gute Trachtpflanzen sind - für die
Westliche Honigbiene (Apis mellifera), die aber ein Generalist ist und als Nutztier zudem vom Menschen gehegt wird.
Das Thema Flächenkonkurrenz
Das zweite Problem ist die enorme Konkurrenzfähigkeit. Invasive Neophyten finden bei uns ähnliche klimatische Bedingungen wie zu
Hause, haben aber weder die Pflanzenkonkurrenz noch die Fressfeinde aus ihrer Heimat am Hacken. Aber vor allem sind sie enorm anpassungsfähig. Sie sind anspruchslos und kommen mit den
unterschiedlichsten Umweltbedingungen zurecht, besonders da, wo schon etwas in Schieflage geraten ist. Dazu produzieren sie Massen an Samen und haben sehr effektive Verbreitungsstrategien: Die
Goldruten verwandeln sich beispielsweise wie der Löwenzahn nach der Blüte in kleine Pusteblumen und werden mit dem Wind verteilt, das Drüsige Springkraut kann seine Samen meterweit schießen.
Springkrautsamen kleben sich auch gerne mitsamt Erde in die Profilsohlen von Wanderschuhen sowie in Reifenproflie. Gut zu sehen ist das beim Kleinblütigen Springkraut, das - eingeschleppt von
Menschen und Autos - im Wald oft in Wegnähe zu finden ist. Haben sie sich einmal ausgebreitet, verändern sich die Licht- und Bodenverhältnisse, oft zum Nachteil anderer Arten.
Die Schuldfrage
Was immer gerne angeführt wird: Natürlich sind diese invasiven Neophyten an sich nicht "schuld" an ihrer Ausbreitung, sondern der
Mensch. Der Mensch ist auch Schuld am Artensterben und muss jetzt versuchen, den Schaden zu begrenzen. Wir leben von intakten Ökosystemen und intakte Ökosysteme leben von einer gewissen
Artenvielfalt. Daher ist es sinnvoll, möglichst viele Arten zu erhalten und nicht nur einige wenige.
Denn die invasiven Neophyten haben nunmal die Tendenz, andere Arten zu verdrängen, besonders wenn sie Gebiete zuwachsen, die Refugien
seltener Pflanzenarten sind. Und das ist einer der Gründe, wenn es darum geht, an manchen Stellen invasive Neophyten auszubuddeln oder sonst irgendwie
einzuschränken, nämlich anderen Arten ein Plätzchen freizuhalten. Damit werden sie keinesfalls "ausgerottet". Sie haben sich längst etabliert und werden sich irgendwann vielleicht auch
freundlicherweise mal einnischen.
Kurz zusammengefasst: Die invasiven Neophyten sind da und sie werden bleiben, da ändert auch das Rausrupfen nichts dran. Ihre
Anwesenheit hat Vor- und vor allem auch Nachteile. Und ja, sie sind hübsch anzuschauen und es landen auch Insekten auf ihnen. Aber da, wo sie sich stark ausbreiten, müssen sie eben manchmal in
ihre Schranken verwiesen werden. Das schadet ihnen ganz bestimmt nicht, hilft aber anderen Arten. Nebenbei bemerkt, werden Brennnesseln hier und da auch gerodet, wenn sie sich zu sehr ausbreiten.
Das kümmert interessanterweise kaum jemanden, obwohl Brennnesseln zumindest für viele Schmetterlingsarten deutlich wertvoller sein dürften als die Kanadische Goldrute (aber wehe, die reißt jemand
raus... oha! ;-)
Warum überhaupt Arten schützen?
Wir sind auf eine gewisse Biodiversität angewiesen. Und solange wir das Problem mit dem Artenverlust nicht in den Griff bekommen, müssen wir versuchen, möglichst
viele Arten zu erhalten. Einfache Schadensbegrenzung. Nur die Hände in den Schoß zu legen, und die invasiven Neophyten wuchern zu lassen, weil sich ja eh
alles von selbst reguliert, wie einige meinen, ist etwas kurz gedacht. Netter Versuch. Klar reguliert sich alles wieder, selbst nach einem Massenaussterben. Aber eine natürliche Regulation dauert
seeehr lange. Könnte also auch sein, dass wir bis dahin aus der ganzen Sache rausreguliert wurden. Sprich: Wir werden wohl kaum darauf warten können, bis sich alles neu geordnet hat. So einfach
ist das dann doch nicht.
Noch ein paar links zum Weiterlesen (für die Inhalte der links übernehme ich keine
Verantwortung):
Eine Seite vom Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Die
IUCN
Der NABU
Der BUND
Der WWF